In einem anderen Leben, unter dem Einfluss eines anderen Schicksals, geleitet auf anderen Wegen, mögen die gezeichneten Attribute der Frau gerecht werden, die ihr heute anhaften. Hier, in diesem Leben, im Lichte dieser Realität, wird sie verkannt, unter- und fatal falsch eingeschätzt. Ist kein Sanftmut, der ihr anhaftet, keine Melancholie, keine Zerbrechlichkeit, getrieben vom zarten Äußeren. Kaum Platz für Empathie, Nächstenliebe und Rücksicht, sondern der ständige Drang, sich zu beweisen; die Notwendigkeit, zu zeigen, wer Faizah Ahmadi ist. Und noch viel mehr: wer sie nicht ist. In erster Linie ist sie eins: auf allen Ebenen missverstanden, nicht zuletzt von sich selbst. Allen voran von sich selbst, hat sie doch im Grunde keine Vorstellung davon, wie sie, ihr Kopf, ihre Magie eigentlich funktioniert – vor allem in Kombination mit- und nicht in Konkurrenz zueinander. 30 Jahre hätte sie Zeit gehabt, sich dieser Herausforderung zu stellen; drei Jahrzehnte hat sie genutzt, einen Schritt vor- und drei zurück zu tun. Mechanismen hat sie gefunden, mit ihren Magieausbrüchen zurechtzukommen. Mechanismen, die mal besser, mal schlechter funktionieren, nie aber den Kern des ‘Problems’ treffen (konnten), denn dazu hätte Zeit und das Eingeständnis eines solchen vorliegen müssen. Kein Platz für Schwäche in nicht nur einer, sondern zwei Familien voller Ellbogenmentalität, Vorurteilen und dem Kampf ums eigene (Vor)Recht. Kein Wunder, dass Selbstreflexion zwar wichtig, aber vorrangig mit sich selbst ausgemacht wird. Beinahe paradox konträr dabei die filigrane Feinarbeit, die durch ihre Hände wandert, immer dann, wenn sie die Tür zur Werkstatt des Amanuensis Quills aufstößt. Wenn sie die Träger der Schürze im Nacken zusammenbindet, lange braune Haare in einem Zopf verwebt und die Welt leise wird. Still – so still, wie weder Kopf noch Herz es jemals sein können.